Urlaubsträume Sommergruß

seagull, sea, seagulls flock

Liebe Leserinnen, liebe Leser,
während unseres Urlaubs saßen wir häufig auf der Terrasse unseres kleinen Ferienhäuschens auf Terschelling. Das Haus lag mitten in den Dünen der niederländischen Ferieninsel. Oft gingen wir spazieren, lasen einige Bücher oder schauten auch einfach nur in die Wolken und beobachteten die vielen Vögel. Wir ließen es uns so richtig gut gehen.
Einmal hatten wir so viel Reis gekocht, dass wir ihn auch am dritten Tag nicht aufaßen. Wir entschlossen uns, den Möwen davon abzugeben. Sie flogen ohne- hin ständig über den Ferienhäusern, in der Hoffnung, dass ein paar nette Urlauber ihnen etwas Essbares abgaben.
Ich nahm also den Kochtopf mit den Essensresten und ging auf einen kleinen Hügel direkt vor unser Haus. Der Topf war kaum geleert, als auch schon der erste Vogel sich bemerkbar machte. Eine Elster näherte sich neugierig dem Leckerbissen und probierte das Reisgericht. Irritiert schaute sie zu uns, die wir auf der Terrasse saßen, als wollte sie sagen: Das habt ihr gerade gegessen? Sie drehte sich beleidigt um und
flog davon.
Eine Dohle kam daher. Und es folgte das gleiche Spiel. Sie probierte und verschmähte unser Mittagessen.
Das konnte ich kaum glauben, bis dann eine Möwe über der Düne kreiste. Auch sie setzte zur Landung an, ging zu unserem Buffet, schüttelte sich leicht ange
widert und verschmähte arrogant unseren Mittagstisch. Gerade als ich überlegte, den gedeckten Dünentisch wieder abzuräumen und das Essen im Müll zu versenken, kreisten fünf weitere Möwen über unserem Haus.

Sie waren als Kolonne unterwegs und stürzten sich auf unsere Mahlzeit. Die erste probierte, und auch die zweite und die dritte Möwe aßen von dem Essen.
Das ertrugen die anderen Vögel aber gar nicht. Sie bekamen Panik, nicht genügend abzubekommen und fielen mit großem Gekreische über unser Essen her. Dieser Vogellärm lockte seinerseits wieder die Vögel aus der Nachbarschaft an. Nicht nur die Elster und die Dohle kamen zurück, sondern auch die Cousins, Cousinen, Onkel und Tanten, Nachbarn und Freunde der Vögel. Keiner gönnte dem anderen etwas und jeder wollte das haben, was der andere hatte. Wir konnten gar nicht so schnell gucken, wie unser Essen verschwunden war. Am Ende lag kein einziges Reiskörnchen mehr in den Dünen.
Was ist da passiert? Mich hat diese Geschichte sehr nachdenklich gemacht. Man nennt dieses eigenartige Verhalten der Vögel Futterneid. Der eine gönnt dem anderen nichts, auch wenn es ihm selbst nicht gefällt oder er es gar nicht haben will. Damit der andere es nicht be- kommt, nehmen sie es selbst und sagen, das ist meins.
Mir scheint das aber nicht nur bei den Vögeln so zu sein. Nehmen und raffen wir Menschen nicht auch, selbst wenn wir es gar nicht brauchen… nur damit andere
es nicht bekommen?
Vielleicht gäbe es viel weniger Missgunst und Streit in dieser Welt, wenn wir großzügiger wären und einander mehr gönnen könnten.

Herzlich grüßt Sie
Ihr Jürgen Heidemann