Das junge Paar wohnt schon länger zusammen. Beide verdienen gut. Der junge Mann lässig elegant, die junge Frau perfekt durchgestylt und nach der neuesten Mode gekleidet. Auch ihre Wohnung wirkt wie von einem Innenarchitekten eingerichtet. Da ist nichts improvisiert oder selbst gebastelt. Die beiden Autos vor dem Haus, ein Cabrio einer Nobelmarke und der große amerikanische Pick-up zeugen auch nicht gerade von Armut. Die jungen Leute haben sich in ihrem Leben schon gut eingerichtet. Alles ist sorgfältig geplant und exakt ausgeführt. Nichts wurde dem Zufall überlassen.
Nach gründlicher Probezeit soll nun auch ihre Beziehung legalisiert werden. Selbstverständlich wird auch die Hochzeit standesgemäß inszeniert werden. Hochzeitsmessen werden besucht, ein Hochzeitsplaner soll für viel Geld den Tag der Trauung zu einem unvergesslichen Tag machen – für das junge Paar wie auch für die geladenen Gäste, die bereits verheirateten Freunde, deren Feier es zu übertrumpfen gilt und für alle zufällig vorbeikommenden Passanten. Der Hochzeitsplaner geht mit dem Brautpaar die Pläne durch: Die Braut im langen weißen Kleid, der Bräutigam chic im dunkelgrauenAnzug mit Fliege, Fahrt in der Hochzeitskutsche zum Standesamt im Schloss in der Nähe, dann weiter zur Kirche …
Zur Kirche? Aber der Bräutigam ist aus der Kirche ausgetreten! Betretene Gesichter! Was nun? Der Hochzeitsplaner macht das Unmögliche möglich. Er findet einen Pfarrer, der bereit ist, das Paar zu trauen, auch wenn der Bräutigam der Kirche eigentlich den Rücken gekehrt hat. Er wollte die Steuern sparen, ging eh nie in die Kirche. Aber wenn er jetzt so darüber nachdachte, dann wäre die Kirche nicht nur der perfekte, feierliche Rahmen für eine tolle Hochzeitsfeier. Irgendwie fände er es auch schön, seine Beziehung von Gott gesegnet zu wissen. Tief in seinem Inneren war also doch noch so ein winzigkleiner Rest Gläubigkeit übrig!
Der Pfarrer hatte viel Verständnis für die Wünsche und Ideen der jungen Leute und ging in seinem Gottesdienst sehr auf sie ein. Er betete mit ihnen und bat Gott, die beiden in guten wie schweren Zeiten zu begleiten und zu beschützen. Aber er wies sie auch darauf hin, dass die Zusage Gottes, immer an ihrer Seite zu sein, keine Garantie für die Haltbarkeit ihrer Beziehung sei. Daran müssten sie schon selbst arbeiten. So wie Gott die Menschen bedingungslos liebt, müssten auch sie den anderen annehmen mit all seinen Fehlern und Gebrechen und füreinander da sein. Sie müßten sich darüber im Klaren sein, dass man nicht nur von dem lebt, was man kaufen kann. Partys, teure Kleider, schnelle Autos, ein perfektes Haus und Reisen rund um den Erdball seien herrlich, wenn man sie in guter Gesellschaft erleben kann. Aber das, worauf es wirklich ankomme, könne man nicht für Geld kaufen: Treue Freunde, die einen so nehmen wie man ist und immer für einen da sind, bedingungslose Liebe und vor allem Gesundheit. „Doch was auch kommt,“ endete der Pfarrer, „denken Sie immer daran: Sie sind nie allein. Gott geht mit Ihnen.“
Der junge Mann war sehr nachdenklich geworden. Die Worte des Pfarrers hatten ihn irgendwie berührt. War sein Leben in letzter Zeit nicht sehr durch Äußerlichkeiten geprägt gewesen? Hatte er sich vorschnell durch die vielen bekannt gewordenen Skandale in der Kirche und von der öfffentlichen Stimmungsmache angesteckt von der Institution Kirche abgewandt? War das ein Fehler gewesen? Wer weiß, vielleicht hat ihm dieser Gottesdienst geholfen, einen neuen Zugang zu Gott zu finden. Ich wünsche es ihm und allen, die auf der Suche sind. Ihre
Sonja Rexwinkeaus „Der Grenzgänger DEZEMBER 2023 – JANUAR 2024“