von Sonja Rexwinkel
Neulich an der Supermarkt-Kasse. Vor mir stand eine Mutter mit zwei kleinen, etwa 3 Jahre alten Zwillingsmädchen in der Warteschlange. Natürlich wurden auch wieder Süßigkeiten in Augenhöhe der Mädchen dargeboten. Und so kam es, wie vom Händler geplant: „Mama,Bonbons!!! Bonbons haben!“ Die Mutter überlegte einen Augenblick, bevor sie
antwortete: „Wie heißt das Zauberwort?“
Ich dachte, ich höre nicht richtig. Gibt es das immer noch? So sind wir doch schon erzogen worden! „Bitte?“ rief eins der Mädchen. – „Ja, das ist das Zauberwort!“, sagte die Mutter und legte eine Tüte Süßigkeiten in ihren Korb.
Tja, so bringen wir das unseren Kindern bei, wenn sie uns mit ihrer Bettelei nerven. Besonders pfiffige Kinder wissen schnell, dass auch das Zauberwort manchmal nicht zum Erfolg führt und fügen einfach zwei bis drei Wiederholungen und einen Stein erweichenden Dackelblick dazu:
„Ach, liebste Mami, bitte, bitte, bitte…“
Das funktionierte selbst in der harten Nachkriegszeit, als wir selber noch kleine Kinder waren und es kaum etwas gab. Wen wundert es also, wenn manch einer meint, bei unserem Herrgott müsse das. genau so funktionieren? Mit einem einfachen „Bitte“ ist es da zwar nicht getan.
Ein richtiges Gebet sollte es schon sein, denken sie. Denn, wenn es Ernst wird, hilft nur beten, beten, beten. Also beten selbst die, die sonst keinen Gedanken an Gott verschwenden, inbrünstig. Not lehrt eben doch beten. Manche fügen auch gleich noch ein Gebet an irgendwelche Schutzheiligen oder Schutzengel hinzu, die Gott überreden sollen, ihre Wünsche zu erfüllen. Frei nach dem Motto: Viel hilft viel. Und dann wundern sie sich und manche ärgern sich sogar, dass nicht einmal mehr Beten hilft. Aber ist das so? Hilft Beten wirklich nicht?
Die Bibel verspricht uns, dass Gott uns liebt. Aber ein Gebet ist nun mal keine Erfüllungsroboter für unsere Wünsche und das Leben ein Wunschkonzert ist.
Meiner Meinung nach sollten die Menschen begreifen, dass es so einfach nicht sein kann. Das wären ja paradiesische Zustände auf Erden! Haben wir schon vergessen, dass wir Menschen doch wegen unserer Maßlosigkeit, uns mit Gott gleichsetzen zu wollen, aus dem Paradies geschickt wurden? Diese Strafe Gottes wäre ja keine Strafe, wenn auf Erden auch paradiesische Zustände herrschen würden.
Dann würden ja sogar noch bessere Zustände herrschen, denn Gott würde ja zum Erfüllungsgehilfen unserer Wünsche degradiert werden. Wer betet, der sollte auch an Gott glauben. Denn Gebet setzt Glauben voraus. Doch auch wenn Jesus sagt: „Wer bittet, dem wird gegeben“, so sagte er doch auch „Herr, nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Darum glaube ich nicht, dass Gott in seinem himmlischen Büro an einem Super-Computer sitzt und den ganzen Tag nichts anderes tut, als die im Sekundentakt eingehenden E-Mails mit Bitten nach einem guten Prüfungsergebnis ohne entsprechende Vorbereitung, nach Erfolg beim Vorstellungsgespräch trotz fehlender Qualifikation, nach guten Schulnoten trotz Faulheit oder Frieden mit dem Nachbarn, den ich verärgert habe, zu erfüllen.
Bitten darf man Gott natürlich immer,
aber es kann nicht schaden, sich dabei wieder an die Kindheit zu erinnern, als einem vor Weihnachten gesagt wurde:
„Wünschen darf man sich vieles, aber ob der Wunsch auch erfüllt wird, liegt nicht in unserer Hand.“
Bei Gott ist es genauso. Bitten kann man Gott immer, doch letztendlich entscheidet er, ob er den Wunsch auch erfüllen will oder kann. Es muss ja alles in seinen Plan passen, nicht in unseren. Genau deshalb beten wir ja auch im Vaterunser „Herr, DEIN Wille geschehe“. Eigentlich traurig, dass wir das in unserem Alltag immer wieder vergessen.
Beten sollte man, dass Gott einem die Kraft gibt, das selber zu tun, was zu tun ist. Beten kann man auch um die Einsicht, die richtige Entscheidung zu treffen, um nicht nur sich selbst, sondern auch anderen zu helfen. Beten heißt nicht fordern. Beten heißt anerkennen und akzeptieren, dass wir hier nicht alles im Griff haben und auch nicht im Griff haben müssen – auch wenn es uns manchmal so vorkommt. Beten bedeutet, darauf vertrauen, dass alles gut wird für mich, meine Familie, ja, für die ganze Welt – auch wenn Zank und Streit im Kleinen wie auch die vielen Kriege im Großen einen manchmal daran zweifeln lassen. Doch Glauben heißt nicht sehen. Glauben heißt vertrauen auf das Unsichtbare. Gott gab uns die Freiheit, unser Leben im Rahmen der 10 Gebote selbst zu gestalten.
Dies tun wir mit Freuden, so lange alles gut verläuft. Dann soll Gott uns gar nicht hineinreden in unser Tun. Aber immer wieder gibt es Streit und Krieg, denn der Mensch ist im Grunde sündig. Dann soll plötzlich Gott alles richten. Warum sollte er sich einmischen, wenn es für uns nicht gut läuft? Wenn es gut läuft, verbitten wir uns seine Einmischung doch auch? Haben wir nicht schon als Kinder gehört: „Wer sich die Suppe einbrockt, muss sie auch auslöffeln.“?
Darum hoffe ich für uns alle auf die Einsicht zu beten: „Herr, Du bist der Herr.
Bitte gibt uns Kraft und Klugheit, unsere Streitereien selbst zu beenden.“ Wer an Gott glaubt, wird von seinen Sünden erlöst werden. Das ist uns zugesagt. Aber zunächst sind wir selbst gefragt, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, um auf den rechten Weg zu gelangen.
Ich wünsche Ihnen eine friedvolle Zeit.